Hautausschlag, Ödembildung, Würmer in den Eingeweiden. Nein, ein schönes Forschungsthema hat Uwemedimo Ekpo sich nicht gerade ausgesucht. Aber dafür eines, das für Afrika sehr wichtig ist: im subsaharischen Raum kursieren Tropenkrankheiten, über die vieles nicht bekannt ist, da sie in der Forschung bisher vernachlässigt wurden. Besonders Parasitenerkrankungen wie Schistomiasis (Billharzose) bereiten den Menschen großes Leid, treiben ihnen das Blut in den Urin, machen sie müde und lethargisch. „Ich werde diesen Anblick niemals vergessen“, sagt Ekpo, dem die Eindrücke eines Feldaufenthalts in den ländlichen Gebieten Nigerias nicht mehr aus dem Kopf gehen. „Es ist schlimm, wie viele Menschen unter den Parasiten leiden und wie sehr die Erkrankungen ihren Alltag beeinflussen.“ An jenem Tag beschloss er, sein berufliches Leben dem Kampf gegen die Parasiten zu widmen.
Ekpo arbeitete in seiner Doktorarbeit am Biologischen Institut der University of Agriculture im nigerianischen Abeokula über die Erkrankung am Guineawurm. Es war sein Mentor, der ihn auf eine Ausschreibung aufmerksam machte, die genau zu seinem Forschungsfeld passte: die European Foundation Initiative for African Research into Neglected Tropical Diseaeses (EFINTD), ein Zusammenschluss der fünf europäischen Stiftungen Cariplo, Gulbenkian, Merrieux, Nuffield und Volkswagen, hatte die Bedeutung bisher unbeachteter Tropenerkrankungen erkannt und fördert Forschungsvorhaben junger afrikanischer Wissenschaftler an ihren Heimatinstituten. Ekpo bewarb sich – und wurde einer der ersten postgraduierten Nachwuchswissenschaftler, die 2009 ein dreijähriges Junior-Stipendium erhielten.
Zwischen 2009 und 2011 entwickelte Ekpo zusammen mit seiner europäischen Partnerinstitution, dem Schweizerischen Tropen- und Public-Health Institut (Swiss TPH) ein geostatistisches Modell für alle Daten, die seit den 1930er Jahren in Nigeria über Schistomiasis gesammelt wurden. Anhand dieser Informationen erstellte er auf Grundlage Bayessscher Wahrscheinlichkeitsrechnung geostatistische Landkarten, anhand derer sich entnehmen lässt, wie Erkrankungen mit der geographischen Lage zusammenhängen und wo an der medizinischen Versorgungsstruktur gearbeitet werden muss. Die Daten stellte er in ein Informationssystem, das nun vielen NGOs als Grundlage ihrer Arbeit dient. „Auch für das nigerianische Gesundheitsministerium sind die Forschungsergebnisse sehr von Interesse“, sagt Ekpo. Dennoch sind kaum finanzielle Mittel vorhanden, um die notwendige wissenschaftliche Grundlage im Kampf gegen den parasitären Befall zu schaffen. „Meiner Universität stehen im Jahr nur rund 24.000€ für Forschungsvorhaben zur Verfügung”, sagt Ekpo. „Der unzuverlässige Internetzugang macht es zudem schwierig, sich rechtzeitig über internationale Ausschreibungen der Forschungsförderung zu informieren.“ Da ist es nicht verwunderlich, dass viele afrikanische Wissenschaftler im internationalen Vergleich nicht mithalten können und die Erforschung unbekannter Tropenkrankheiten darunter leidet.
Um das zu ändern setzt das Förderprogramm EFINTD auf eine nachhaltige Förderung afrikanischer Wissenschaftsstrukturen. In einem mehrstufigen Konzept haben Wissenschaftler über drei Etappen hinweg die Möglichkeit, ihre Karriere auszubauen und sich an ihren Instituten zu etablieren: Studierende können sich bereits um ein Promotionsstipendium, und als postgraduierte Nachwuchswissenschaftler um ein Junior-oder Senior-Stipendium bewerben. Durch die Kooperation mit europäischen Partnerinstituten werden internationale Netzwerke gelegt, die nicht nur die Wissenschaftler selbst, sondern auch deren Institute an den afrikanischen Heimatuniversitäten in der internationalen Wissenschaft verankern. „EFINTD ist eine der ersten Förderungen, das afrikanische Forscher ermutigt, in Afrika zu bleiben“, sagt Ekpo. „Ich hoffe, dass sich die Situation an afrikanischen Universitäten langfristig ändert, so dass wir als Wissenschaftler in der Lage sind, mit unseren internationalen Kollegen mitzuhalten.“
Auch Uwemedimo Ekpo hat die Chance, seine Karriere weiter auszubauen: 2012 wurde er ausgewählt, in einem dreijährigen Senior-Stipendium seine Studien über Schistomiasis zu vertiefen und sich darüber hinaus der Wurmerkrankung Helminthiasis zu widmen. Sein Traum: eine Professur an seinem Heimatinstitut, die Gründung eines von afrikanischen Wissenschaftlern geführten Forschungszentrums zu vernachlässigten Tropenkrankheiten und – die Befreiung der Welt von parasitären Erkrankungen. Nachhaltiger kann Forschung kaum sein.
VeröffentlichtCrossing BordersAutorMelanie GärtnerFotografieAndrew EsieboLandDeutschland, NigeriaAuftraggeberVolkswagen StiftungGenreBeitragJahr2013Webwww.volkswagenstiftung.de